Ein Gespräch mit Sándor Szakács, unserem neuen Jugendseelsorger.
Bei unserem Gespräch treffe ich auf jemanden mit einem neugierigen und offenen Blick, der viel Interessantes aus seinem Leben zu erzählen hat – und sich bewusst dafür entschieden hat, wieder näher bei den Menschen zu sein.
„Es ist sehr spannend, mich nach einer langen Lebensreise vorstellen zu können“, beginnt Sandor.
„Eigentlich bin ich als Ausländer geboren – als Mitglied der ungarischen Minderheit in Rumänien während des rigiden kommunistischen Regimes unter Ceaușescu. Gott, Kirche und Religion waren in dieser Zeit absolute Tabuthemen. Schon als Kind war die Kirche für mich ein Ort des Widerstandes. Da stellte sich mir oft die Frage: Warum muss ich mich einer Obrigkeit fügen, die so wenig Sinn ergibt?
Ein Beispiel fällt mir dazu ein: In Rumänien gab es die Tradition, dass alle Schülerinnen und Schüler nach bestandener Maturitätsprüfung mit ihrem Klassenfoto in den Fluren der Gymnasien verewigt wurden. Weil Ceaușescu selbst nie eine solche Prüfung abgelegt hatte, erließ er kurzerhand ein Verbot.“
So wuchs Sandor auf – die Kirche spielte eine entscheidende Rolle. Die Pfarrer prägten ihn stark und wurden zu Vorbildern. Schon mit fünf Jahren empfing er die Erstkommunion. Obwohl er ursprünglich Mathematik und Physik als Schwerpunktfächer gewählt hatte, entschied er sich für ein Theologiestudium. Ein Stipendium führte ihn später nach Rom, wo ihn die Jesuiten besonders inspirierten.
„Ich habe mich gegen die Priesterweihe entschieden und bin Theologe geworden. In Ost- und Mitteleuropa ist es allerdings schwierig, als Theologe in der Kirche eine richtige Aufgabe und ein Auskommen zu finden. Bei den Jesuiten hingegen gilt: Jeder hat einen Platz in der Kirche. Für mich war klar, dass ich als Theologe authentischer unterwegs bin.“
Während des Studiums arbeitete Sandor in den Sommerferien jeweils zwei Monate in einem Heim für schwerbehinderte Menschen bei Koblenz.
„Diese Arbeit – acht Sommer lang – war unglaublich prägend. Ich habe verstanden, dass nichts im Leben selbstverständlich ist. Wir haben enorme Möglichkeiten, Gutes zu tun und unser Leben sinnvoll einzusetzen. Den Jesuiten und den Mitarbeitenden im Heim bin ich bis heute sehr dankbar.“
Nach dem Studium lebte er einige Jahre in Budapest und probierte das Berufsleben in der freien Wirtschaft aus – als Programmierer und im Controlling eines Ölkonzerns.
2008 erhielt er einen Anruf von der Caritas und kehrte nach Siebenbürgen zurück. Dort übernahm er die Leitung eines Bildungszentrums nahe des berühmten Wallfahrtsorts Șumuleu Ciuc. „Damals war das Haus organisatorisch und wirtschaftlich schlecht aufgestellt. Ich habe das Management übernommen und mit der Zeit Programme für Menschen mit Behinderung und Suchtproblemen aufgebaut. Auch die Organisation der jährlichen Pfingstprozession mit über 300’000 Gläubigen konnten wir professionalisieren.“
Aus familiären Gründen zog Sandor später wieder nach Budapest, um näher bei seinem Sohn zu sein. Er arbeitete im Bereich Erwachsenenbildung und betreute Projekte in ländlichen Gegenden mit großer Armut und hoher Kriminalität. „Zusammen mit Caritas und den Maltesern haben wir sogenannte Daseinshäuser gegründet. Dort entstand neue Infrastruktur und vor allem neue Hoffnung. Dass dieses Projekt heute noch weiterlebt, macht mich sehr dankbar.“
Anschließend war er für das neu gegründete Staatssekretariat für Menschen mit Behinderung tätig.
Doch irgendwann fehlte ihm etwas: „Ich spürte den Wunsch, den Menschen wieder mehr auf einer sakralen Ebene zu begegnen. Schon früher hatte ich Pfarrer vertreten, und die Sehnsucht nach seelsorgerischer Tätigkeit wuchs.“
Dann kam der Anruf aus der Schweiz: In Seelisberg wurde eine Stelle frei. „Ich habe das mit meinem Sohn besprochen, und er hat meine Entscheidung voll unterstützt. So bin ich nun hier angekommen. Mein Leben besteht aus vielen Mosaiksteinen, und zusammengesetzt ergeben sie das Bild meiner Selbst.“
„Als Osteuropäer ist man es gewohnt, ständig in Bewegung zu sein. Alles kann sich sehr schnell ändern. Ich bin froh, jetzt als Seelsorger den Menschen wieder näher sein zu können.“
Vielen Dank, Sandor, für diesen persönlichen Einblick in dein Leben.