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Österliche Gedankenbrocken

Gründonnerstag
Abendmahlbilder begleiten uns an diesem Tag. In der Mitte Jesus, neben ihm Johannes und die Jünger. Bekannte Bilder, wir kennen sie gut und alle zeigen das gleiche Muster. Erst auf den Abendmahlsbildern von Sieger Köder sehen wir eine „neue Tischgemeinschaft“. Da sitzen Männer und Frauen gemeinsam am Tisch – Dirne, Clown, Farbige, Krüppel und Intellektuelle. Noch ungewohnter wirkt der „Frauen-Altar“ von Candace Carter: 13 Frauen sitzen um einen grossen Tisch. Alltägliche Frauen wie eine Frau im Rollstuhl, eine Schwangere, eine Ordensfrau, eine Mutter mit Kind… Nur Frauen! Ein Bild vom letzten Abendmahl? Es löst Protest aus, und weist uns darauf hin wie Frauen sich fühlen könnten, in einer patriarchalen Kirchenwelt, in der nur von „Jüngern“ die Rede ist. Wie die damals geltende gesellschaftliche Ordnung ins Haus der Kirche hineingetragen wurde, und damit die, von Gott den Frauen zugedachte Rolle in der Heilsgeschichte falsch zugeordnet ist. Sicher steht, dass Jesus, der in der Darstellung Carters gar nicht abgebildet ist, mit allen Menschen am Tisch sass; er hat niemanden ex-kommuniziert. Er hat Frauen seine Zeit, Umarmung und Berührung, sein Mitleid, seine Liebe und sich selbst geboten. Sein Vermächtnis lautet: Zusammenkunft, Dienst, Mahl-halten, geschwisterlich. Er führte keinen Disput darüber, wer Vorsteher solcher Feiern sein dürfe, oder wer seine leeren Hände nicht nach dem Brot des Lebens ausstrecken dürfe. Er feierte Abendmahl – wozu alle Menschen eingeladen sind!

Karfreitag
Ein Kreuz, inmitten des Universums, das eine tiefe Wunde in den Himmel gestossen hat. Es zeigt wie Menschen sind: Sie scheuen vor Verwundung nicht zurück. Es zeigt aber auch, wie Gott ist: Aus Liebe zu den Menschen ist er verwundbar. Die offene Wunde Gottes, Jesus Christus: sein blutverschmiertes Antlitz, sein in Ohnmacht geneigtes Haupt, sein gegeisselter Körper, seine angenagelten Hände und Füsse, sein durchbohrtes Herz wird durch die Menschheitsgeschichte getragen und enthüllt. Im Gekreuzigten blickt Gott auf die Leiden der Schöpfung, die Leiden welche Menschen anderen Menschen antun. Es ist das Unverständnis Gottes: Warum setzen Menschen ihre Kräfte nicht nur für das Gute ein? Warum werden sie so zerstörerisch? Warum macht sie ihr Besitz so besessen und ihr Lebenshunger so süchtig? Warum kann ihre Gottebenbildlichkeit so gottlos sein? Es ist das Kreuz mit dem Gott seine Schöpfung umarmt.

Osternacht
Sie ist die Nacht des Lichtes. Eine göttliche Metamorphose, die aus der Dunkelheit des Lebens in ein Leben der Freiheit und der Fülle hinüberführt. Die Nacht des neuen Lebens und der Versöhnung: In der Menschen aufeinander zugehen, sich die Hände reichen. Menschen guten Willens, Menschen des Glaubens. Menschen einer diskrepanten Welt, die trotz aller Hoffnung oft nicht über ihren Schatten springen können. Die, an den Karfreitagen dieser Welt wegschauen. Frauen, die am Grab die Botschaft vom neuen Leben erhalten. Ein Engel schickt sie als Boten der Auferstehung zu den ewig gestrigen Jüngern. Geht nach Galiläa! Ins Land der Widersprüchlichkeiten und der falschen Messias-Erwartungen. Ins Land der Manipulierten. Ins Haus des Zachäus. Dorthin, wo alles begonnen hat, dort kann man IHM begegnen. Dort – und nirgendwo anders – ist der Ort der Bewährung des Glaubens, der Ort, wo es Ostern werden muss. Dort soll die Osterbotschaft verkündet werden: das, was Jesus sagte und tat. Dadurch wird Er so gegenwärtig, wie nirgends sonst auf dieser Welt. Dorthin werden Menschen, denen die grossen Worte ausgehen, geschickt. Menschen, wie Du und ich, die Zeugen des Auferstandenen werden können.

Ostern
Die ermutigenden Worte des Engels stehen an der Schwelle der Osterliturgie: „Habt keine Angst! Er ist nicht da, er ist auferstanden!“ Eine Behauptung, eine frohe Botschaft – die als Grundstein einer neuen Schöpfung gilt – welche die Welt in ihren innersten Strukturen neu stellen will. Die Botschaft des Engels bestärkt die Verheissung einer „neuen Erde“ und „eines neuen Himmels“.
Was ist das „absolut“ Neue dabei? – fragen viele Menschen. Unsere Welt scheint auch nach der Auferstehung die „gleiche“ geblieben zu sein. Die gleichen Probleme und Schwierigkeiten; die Angst nicht zurecht zu kommen, sich (die eigenen Vorstellungen, Sehnsüchten, Träumen) zu verlieren…
Jene, die zum Grab gegangen sind, wurden von Angst beherrscht. Das offene Grab deutet auf Profanierung hin; das vorgefundene leere Grab könnte bedeuten, dass der Meister auch im Tod nicht in Ruhe gelassen wird: sein lebloser Körper wurde gestohlen. Und der weissgekleidete Engel, der über Unerhörtes, ja Unvorstellbares berichtet: Auferstehung! All dies lässt den die Angst steigen und dann noch der Auftrag hinzu: Geht und verkündet!
An der Schwelle der neuen Welt stehen Kämpfer, Sieger, Frauen, Apostel, Bekenner … Menschen, die uns die Botschaft der Auferstehung vermitteln. Menschen, die gelernt haben mit ihren Ängsten umzugehen. Menschen, die Kraft haben all das, was sie berühren, mit dem Wunder des Wachstums zu versehen. Menschen, die von der Last des Schicksals nicht besiegt wurden; die schönen Falten in ihrem Gesicht tragen. Menschen, bei denen ich den Eindruck habe, dass auch ich in meinem menschlichen Sein wachsen kann. Menschen, derer Wünsche und Träume keine Grenzen kennen. Sie brennen wie das Feuer! Sie bieten ihren Familien und ihrem Volk festen Boden. Menschen, die keine Angst haben für die Wahrheit in unserer Welt einzustehen. In einem Wort: Menschen, die die Auferstehung erleben und so Ecksteine einer neuen Welt sein können.

Die von Angst besessene Welt wirkt unmenschlich. Die Angst führt zu einer getrennten und dominierten Welt, in der Kleine und Grosse, Machthaber und Ausgebeutete unfriedlich zusammenleben. Im Schatten der Angst werden Menschen zu Feinden; die Eifersucht und die Unmoralität bekommt Flügel; das Leben wird inhaltslos. Diese Angst ist allgegenwärtig, versteckt unter der Decke der Armut, Unvermögen, Arbeitslosigkeit, Kriege…
Verängstigt versteckt sich der Mensch hinter Anonymität, Gesetzen, Beschäftigungen und Lügen. So entsteht eine Kultur der Angst, die unsere Lebenskräfte wegsaugt. Wenn man diese Angst-Welt akzeptiert, nimmt man damit auch eine ungerechte Welt an, in der die christlichen Werte nicht mehr gegenwärtig sind, und die immer unmenschlicher wird. In dieser Welt wird auch das Christentum als eine Option auf dem Markt des Spirituellen angeboten, und oft, wenn man in dieser verlogenen Welt auf Christen trifft, spürt man, dass da alles getan wird um den Schein zu wahren, da ist keine Auferstehung, da ist das Grab wirklich leer. Da hat es langsam keinen Platz mehr. Weder für Gott noch für den Menschen.

Der Auferstandene legt eine Mission in unsere Hände: „Geht und verkündet!” Eine neue Welt (weiter) zu bauen! Ohne sich mit dem Halbmass zufrieden zu geben. Die österliche Botschaft kann nicht auf einen Mittelweg reduziert werden! Sie kann nicht am Tisch der Kompromisse durchdiskutiert werden. Sie braucht Menschen, die vom Entstehen „einer neuen Welt“ überzeugt sind, die sich nicht in eine Gott- und Menschenlose Welt hineinleiten lassen. Die neue Welt hat einen österlichen Handabdruck, gesetzt von Angst befreiten Menschen. Eine er-lösteWelt!

Pfarrei Erlöser Zürich