Pfarrer Liviu beschreibt in seinem Text wie Ökumene gelebt werden kann, Missverständnisse und Kontroversen sollen endlich aus dem Weg geräumt werden. Denn nur gemeinsam können wir Christen die grossen Herausforderungen meistern.
Die ersehnte Einheit
Jesus betet in den letzten Kapiteln des Johannesevangeliums für die Einheit derer, die an ihn glauben. „Alle sollen eins sein, damit die Welt glaube!“ – lesen wir dort. Im letzten Jahrhundert ist der Wunsch nach Einheit in unseren Kirchen immer stärker geworden. Seit gut 50 Jahren (nach dem II. Vatikanischen Konzil) dürfen wir ein echtes, gemeinsames Suchen nach Wegen zur Einheit feststellen. Seitdem hat sich schon viel verändert und verbessert, auch wenn man keinen euphorischen Zustand erreicht hat.
Wir sind durch die Taufe, durch den Glauben und die Liebe „grundvereinigt“
Das Gedenkjahr 2017: „500 Jahre Reformation“ sollte ein Anlass sein, dass das Reformationsgedenken in ökumenischer Gemeinschaft als Christusfest begangen wird. Von beiden Kirchen (katholisch und evangelisch) wurde das Papier „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ erarbeitet. Die Verfasser zeigen ihre Überzeugung, dass beide christlichen Traditionen auf das gemeinsame Christliche Erbe schauen sollten. (Die Optik des „Zurück zu den Quellen“ ist dabei erwünscht.) Wir sollten erkennen, dass wir durch unsere gemeinsame Taufe zum gleichen Leib Christi gehören. Wir haben als Christen die gleiche Grundberufung, priesterlich, prophetisch und königlich, als Schwestern und Brüder in Christus unterwegs zu sein. Wir dürfen uns nicht mehr von den gegenseitigen Abgrenzungen und Verurteilungen („Absolutheitsanspruch“) her sehen und definieren. Wir sollten erkennen, dass wir durch die Taufe, durch den Glauben und die Liebe „grundvereinigt“ sind. Wir haben den hl. Geist mit seinen Gaben „gemeinsam“ empfangen und sind gemeinsam missionarisch unterwegs. Davon sind wir heute überzeugt, doch, vor langer Zeit wäre diese Sicht noch undenkbar gewesen.
Wir dürfen uns nicht mit der Spaltung und der Entfremdung abfinden.
Unser Papst Franziskus nahm am 31. Oktober 2016 am Eröffnungsakt des Gedenkjahres, im schwedischen Lund teil. (Im Lund wurde 1947 der Lutherische Weltbund gegründet.) Der Papst bezeichnete das gemeinsame Gedenken der Reformation als eine neue Chance, den gemeinsamen Weg der Annäherung weiterzugehen. Er sagte: „Wir dürfen uns nicht mit der Spaltung und der Entfremdung abfinden, die durch die Teilung unter uns hervorgerufen wurde. Dies ist eine Gelegenheit, um einen entscheidenden Moment in der Geschichte wieder gut zu machen, indem wir Kontroversen und Missverständnisse überwinden, die oft verhindert haben, dass wir uns verstehen konnten.“ Die Einheit sei das Zeugnis, das die Welt von der Kirche erwarte. „Wir werden als Christen in dem Maße ein glaubwürdiges Zeugnis der Barmherzigkeit sein, in dem Vergebung, Erneuerung und Versöhnung unter uns eine tägliche Erfahrung ist.“
Welche Schritte stehen nun an, um dem großen Ziel der Einheit näher zu kommen? Reicht es, wenn kirchliche Oberhäupte (Papst, ökumenischer Patriarch, Patriarchen der Ost-Kirche, evangelische und reformierte Bischöfe) sich treffen? Oder, auch wenn auf lokalen Ebenen eine gute Zusammenarbeit zwischen den Kirchen und religiösen Gemeinschaften zustande kommt?
Wichtig ist dabei, denke ich, dass wir, in einem ersten und notwendigen Schritt, uns der jesuanischen Identität unserer Kirchen bewusst werden. Dieses Bewusstwerden bedeutet, dass man sein eigenes Profil, die eigenen Konturen (vor allem kulturelle und kirchengeschichtliche) antastet. Billig wäre die Einheit, die alle Unterschiede wegtuscht. Letztlich würde es heißen, dass man eigentlich auf wackeligen Boden steht, wenn man für das „Eigene“ nicht einsteht.
Die Realisierung der Trennungsgründe führt zur Versöhnung. Dazu gehört auch die „heilende Erinnerung“ an begangene Schuld von früher und die Bitte um Vergebung. Das bedeutet mehr als nur eine höfliche Entschuldigung. Deshalb haben ökumenische Buß- und Versöhnungsgottesdienste eine Schlüsselstellung beim gemeinsamen Reformationsgedenken. Dabei geht es nicht so sehr darum, die Position der Christen auf dem „Markt der Religionen und Konfessionen“ vorteilhaft zu präsentieren, als vielmehr die Sendung der Christen und ihr Selbstverständnis als Jüngerinnen und Jünger Jesu glaubwürdig darzustellen.
Gemeinsam unterwegs sein
Der Weg zur Einheit bedeutet, in einem zweiten Schritt, es zu wagen gemeinsam unterwegs zu sein: auf dem Boden der frohen Botschaft zu versuchen dem Reich Gottes Raum zu bieten. Eine lobenswerte Initiative dabei, die es schon seit langer Zeit gibt, ist die alljährliche „Gebetswoche für die Einheit der Christen“, Ende Januar. Wir sind von Jesus dazu eingeladen, für die Einheit zu beten. Dieses Zusammen-Wagen sollte sich im Grundstrukturen kirchlicher Existenz zeigen: aktives Handeln im Bereich der Liturgie, Diakonie und Verkündigung.
Die Texte für die Gebetswoche für die Einheit der Christen, wurden für 2021 von der monastischen Kommunität von Grandchamp aus der Schweiz vorbereitet. Das gewählte Thema „Bleibt in meiner Liebe und ihr werdet reiche Frucht bringen“ basiert auf Joh 15,1-17 und geht zurück auf die Berufung der Gemeinschaft von Grandchamp zu Gebet, Versöhnung und Einheit in der Kirche und der Menschheitsfamilie.
Im Evangelium aus den johannäischen Abschiedsreden Jesu, wird auch die Sendung der Kirche auf den Punkt gebracht. Wie schwierig dies im Konkreten ist, sehen wir, wenn wir diese Gedanken auf den Alltag beziehen. Oft prallen gegensätzliche Interessen verschiedener Nationalitäten, Religionen und Konfessionen aufeinander. Berechtigt ist die Frage, ob es noch in der globalen Welt eine Kraft, die in diesem vielschichtigen Gefüge eine gemeinsame Zukunft ermöglichen kann? Viele meinen, dass der Glaube an einen liebenden Gott helfen könnte Hass und Misstrauen abzubauen. Doch, diesen Gott geschichtlich – kirchlich vermittelt – als liebevoll vorzuweisen, ist keine leichte Aufgabe geworden.
Rückbesinnung auf unser gemeinsames Ziel
Spannungen und Konflikte geht es an vielen Brennpunkten der Welt. Auf spannungsgeladene Interessensgegensätze treffen wir auch in unserer nächsten Umgebung. Europa trägt den Anspruch eine Gemeinschaft zu sein. Sie funktioniert auch manchmal gut. Die Meinungen gehen jedoch auseinander, sobald Solidarität gefragt ist, und Opfer für die Schwächeren gefragt sind. Die Grundstruktur Europas ist nicht mehr so sicher. Man sollte auch in diesem Kontext bedenken, was uns zu einer Einheit zusammenführt…
Gegensätzliche Interessen hemmen auch das Wachstum innerhalb der Kirchen. Es reicht gewiss nicht aus, für die innerkirchlichen Schwierigkeiten die „böse“ Welt anzuschuldigen. Die Nachfahren der Zöllner, Sünder, Pharisäer, Zeloten und Sadduzäer tun sich auch heute noch schwer, miteinander zu reden, miteinander zu beten und Gott zu loben.
Den Geist Jesu, sein Denken und seine Umgangsweise mit den Menschen, ins Spiel der Kräfte zu bringen, ist Aufgabe der Jüngerinnen und Jünger Jesu heute. Die Rückbesinnung auf unser Ziel, auf die Sendung, die wir von Jesus aufgetragen bekommen haben, ist höchst aktuell. Die Jüngerinnen und Jünger haben sich nach der Himmelfahrt Jesu zusammengesetzt und miteinander um den verheißenen Geist als Begleiter und Beistand gebetet. Bitten wir Ihn, dass er uns auf die richtige Spur führt, auf die Gott uns führen will!
Liviu Jitianu