Zurück zur Übersicht

Lebenskraft und Lebensfreude bräuchte ich für 2021!

2020 geht als das Jahr der Corona-Krise und der Pandemie in die Geschichte ein. Mit welchen Folgen? – kann niemand sagen. „Ich fühlte mich noch nie so ausgeliefert, eingegrenzt, wie in diesem Jahr,“ denkt Pfarrer Liviu. Gesundheit als höchstes Gut, Einschränkungen, Kontrolle, Präventionsmassnahmen und zu schützende Risikogruppen färbten dieses Jahr. Überforderte Politiker, ein zerfallenes soziales System, ein bis zum Existenz-Limit gespartes Gesundheitssystem und die Umpolarisierung der Wirtschaft umrahmen das Gesamtbild.

Manches kann man nachvollziehen; vieles betrachte ich mit verschwiegenem Unverständnis. Ich vermisse dabei eine Gesamtanalyse, einen kohärenten Beitrag von Soziologen, Psychologen, Fachärzten, Wirtschaftsexperten… Ich denke an die bleibenden Folgen von sozialer Distanz, Berührungsängsten und mehrschichtiger Vereinsamung.

Andersdenkende werden als „extrem“ dargestellt

Wir Erwachsenen finden – wenn auch mit Mühe und verschwindenden Energiereserven – irgendwelche Handlungsmuster. Was aber geschieht mit den Kindern, die mit nicht nachvollziehbaren Angstfaktoren beladen werden? Ich kann mein Unverständnis, meine Sorge und Kritik kaum äussern. Regierungen, Medien, aber auch die Politik haben einen solchen verbalen Apparat zustande gebracht, der die Andersartigkeit als „extrem“ darstellt, und als „Verschwörung“ verteufelt.

Papst Franziskus plädiert für Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft

Auch jetzt, an der Schwelle des neuen Jahres, verkündet Papst Franziskus seine Botschaft zum Welttag des Friedens. Er bleibt seinen bisherigen Themen treu. 2021 steht für ihn unter diesem Motto: „Die Kultur der Achtsamkeit als Weg zum Frieden“. Papst Franziskus plädiert für Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft. Eine kraftvolle Botschaft, die den „verschiedenen Formen von Nationalismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit wie auch Tod und Zerstörung bringende Kriege und Konflikte“ gegenübersteht. Die Corona-Krise hat nach der Diagnose des Papstes eine Reihe schon bestehender Krisen verschärft, „die eng miteinander zusammenhängen, wie die Klima-, Ernährungs-, Wirtschafts- und Migrationskrisen“. Umso wichtiger sei es, betont er „füreinander und für die Schöpfung Sorge zu tragen, um eine Gesellschaft aufzubauen, die auf Beziehungen der Geschwisterlichkeit beruht“.

Die Grammatik der Achtsamkeit

Die Sorge für die anderen und für die Umwelt bilden das „pulsierende Herz der Soziallehre der Kirche“. Aus dieser Soziallehre ergebe sich die „Grammatik der Achtsamkeit“. Papst Franziskus nennt hier drei Bindeglieder: die Würde jeder menschlichen Person, die Solidarität mit den Armen und Schutzlosen und die Orientierung am Gemeinwohl. Das seien die Punkte, mit denen sich für die globalisierte Welt ein „gemeinsamer Kurs“ festlegen lasse. Dazu aber sei eine radikale Abkehr von der „verschwenderischen Wegwerfkultur“ notwendig, die sich den „immer stärker werdenden Ungleichheiten innerhalb der einzelnen Nationen und zwischen den Nationen“ entgegenstellen sollte.

Es herrscht Not an Orten, wo sie einst unbekannt war

Deutlich fordert der Papst zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts auf. In eindringlichem Ton zeichnet er das düstere Leben in Krisen- und Konfliktgebieten: „Die Bewohner haben damit zu kämpfen, ihre normalen Tagesabläufe beibehalten zu können, … Kinder können nicht zur Schule gehen. Männer und Frauen können nicht arbeiten, um ihre Familien zu ernähren. Es herrscht Not an Orten, wo sie einst unbekannt war.“

Die Krise schärft nur die Probleme unserer Welt
 
Dass der Papst nicht direkt die Corona-Krise anspricht, überraschte mich. Seine Logik konnte ich doch nachvollziehen: Diese Krise hat nur die Profile der Probleme unserer Welt geschärft. Um diese zu bekämpfen oder zu lösen wirken nur symptomatisch. Da reicht keine Impfung. Dazu braucht man wirklich Lebenskraft und Lebensfreude! Sicher, auch den Glauben der Hirten, Könige und friedfertigen Menschen.

Pfarrer Liviu Jitianu

Pfarrei Erlöser Zürich